Alter in Thailand - Interview


Michael R. Böder
boeder.michael@googlemail.com-                           
083 322 6668 Michael
087 809 0750 Amphorn


Sozial engagierter Rechner.
Michael Böder, der sich für sozial Benachteiligte im Norden Thailands engagiert, hat Chiang Mai als seinen Rückzugsort für sein Alter gewählt und den Weg dorthin von langer Hand vorbereitet

Ich kann gar nicht fassen, dass das Glück mir so hold ist und dass.ich.hier.sein.darf.
15 Jahre arbeite und lebe ich schon in Thailand, habe meine zweite Frau hier gefunden und leiste aktive Entwicklungshilfe. Ich liebe dieses Land, ich liebe meine Frau.und.ich.liebe.mein.Leben.
Ich ging nicht von einem Tag auf den andern nach Thailand. Das war se
it 1984 ein Jahre langer Prozess. Von 1988 bis 1991 arbeite ich bei der YMCA of Chiang Mai als Entwicklungshelfer. Doch im Jahre 2007 beschloss ich, alles hinter mir zu lassen und noch einmal ein ganz neues Leben anzufangen.                 
                                                           
Wenn man ein Leben lang auf der Sonnenseite war wie ich, dann muss man irgendwann schauen, dass man etwas zurückzahlt. Und diese Gelegenheit habe ich jetzt und nutze sie. Ich war schon immer ein Idealist, und so fiel es mir nicht die Entscheidung schwer meine Immobilien zu veräußern, um damit etwas Sinnvolles zu tun. Sinnvoll hieß für mich, das Geld so zu investieren, dass es anderen, Bedürftigen, hilft. Deshalb gründete ich meine eigene Hilfsorganisation
„Hilfe zur Selbsthilfe gGmbH“ und setzte so mein Geld sinnvoll ein. Mein Vater war Kaufmann und klar kalkulierender Rechner. Meine Mutter achtete darauf, dass unser Personal seine Rechte bekam, sie war immer sozial engagiert. Ich habe von beiden Elternteilen etwas. Ich bin sozial engagierter Rechner.
Mein soziales Engagement zeigte sich schon früher. Als Unternehmer Mitglied in der SPD, ungewöhnlich damals, das geht doch nicht, meinte mein Vater. Spendensammlungen für Terre des Hommes, Brot für die Welt und Unicef, Not leidenden Kriegsopfern in Polen 1981 bis 1983 und Flutopferhilfe bei Dresden, das sei doch nicht die Aufgabe eines Geschäftsmannes. Teilnahme an Demonstrationen an vielen Plätzen in Deutschland ebenfalls nicht. Wie ist das zu kombinieren mit dem Erfordernis eine Familie mit drei Kindern groß zu ziehen ?
Soziales mit unternehmerischem Handeln zu kombinieren war ein vier Jahrzehnte währender Ansatz meiner Arbeit zusammen mit meiner ersten Frau Gunda. So wie Ökonomie und Ökologie sich nicht gegenseitig ausschließen – früher behauptete man das – schließen sich Soziales und Gewinnabsicht nicht aus. Das war meine Erkenntnis und so haben wir gehandelt. Die Gesellschaft und Gesetzgebung honoriert steuerlich die Rettung von alter Bausubstanz in der Denkmalspflege. Zwölf Sanierungsobjekte haben wir über die Jahrzehnte saniert und später dann den mühseligen Aufbau Ost. Aber das ist gesellschaftlich gewollt und ist soziale Entwicklung. Ferner ist Tätigkeit in der Entwicklungshilfe gesellschaftlich gewollt und daher steuerfrei, Reichtümer hingegen kann man nicht erwerben. Alle drei  Tätigkeitsfelder stellt für viele kein gewinnbringendes Beschäftigungsfeld dar. Für mich schon. Fast zehn Jahre Aufbau Ost mit Immobilien durch uns ist der Beweis für mich, dass sich Soziales und Entwicklung kombinieren läßt. Dass dieses gelungen ist. darauf sind wir, meine Frau Gunda und ich stolz. Wenn gegen Ende des Schaffens man von „einem hohen Berg wieder herunter muss“, dann sollte man das intelligent anfangen. Haben wir gemacht.                                                            
Als das Rentenalter und die Vermögensübergabe an unsere Kinder anstand in 2007, dann war es Zeit endgültig nach Thailand zu gehen. Drei Jahre nur, aber meine Frau wollte nicht mit dabei sein. So ist das im Leben, man kann nicht alles planen. Es kommt oft anders als man sich wünscht.
Zwei Jahre suchte ich sodann meine Aufgabe in Thailand und eine neue Partnerin. Ohne meine zweite Frau, Amphorn, hätte ich es vielleicht nicht geschafft, mir dort ein neues Leben aufzubauen. Vielleicht wäre ich auch nicht in dem Maße motiviert gewesen. Amphorn ist also mein Antrieb und meine Stütze.
Amphorn ist jetzt eine Thai. Ja, Sie haben richtig gehört. Sie sieht zwar aus wie eine Thai, spricht Thai, ich habe sie im Grenzgebiet zu Burma kennengelernt. Aber sie hat erst seit einem Jahr die Thai Staatsbürgerschaft. Zuvor war sie eine Staatenlose. Sie wurde im Grenzgebiet zwischen Thailand und Burma geboren. Ihre Eltern kamen vom Shan Staat. Sie gehören der Volksgruppe der Tai Yai an. Da wurde so allerhand getrickst, damit sie in Thailand leben konnten. Es gibt keine Geburtsurkunde und ich habe noch nicht genau herausbekommen, wie alt Amphorn tatsächlich ist. Auf ihren Papieren steht 29. Sie selbst hat mir gestern gesagt, sie sei 42. Ich schätze, irgendwo dazwischen wird ihr Alter liegen. Immerhin ist ihre älteste Tochter schon 15 Jahre.
Die thailändische Staatsbürgerschaft für Amphorn zu bekommen hat uns Jahre gekostet. Informationen einholen, gegensätzliche Auskünfte bekommen, auf Ämter rennen, Anträge stellen! Sie können sich nicht vorstellen, wie langsam die Bürokratie in Thailand mahlt und wie mühsam es ist, mit den Beamten klar zu kommen. Aber die Staatsbürgerschaft ist die Voraussetzung, dass man heiraten kann. Und heiraten wollten.wir. Internationales Recht sagt, heiraten sei ein Menschenrecht. Jeder Mensch soll doch heiraten dürfen. Aber die Realität sieht anders aus. Ohne die richtigen.Papiere.läuft.nichts.
Endlich bekamen wir den hilfreichen Tipp:
das Innenministerium.
Tatsächlich hat es geklappt, und dann stand der Heirat nichts mehr im Wege. Fünf Jahre war ich mit meiner Partnerin zusammen und endlich hatten wir alle Papiere für die Eheschließung. Wir haben uns in Bang Rak das Ja-Wort gegeben. Der Standesbeamte war sehr freundlich und es ging alles unkompliziert und problemlos.
Auch das Standesamt in Seelze bei Hannover war sehr hilfreich durch den Irrweg einer interkulturellen Heirat zu finden.
Bang Rak ist ein Distrikt von Bangkok, nicht weit von der Deutschen Botschaft entfernt. Das Standesamt dort arbeitet direkt mit der Botschaft zusammen. Amphorn gefiel auch der Name Bang Rak sehr gut, denn es heißt so viel wie “Ort der Liebe“.

Obwohl Amphorn viel jünger ist als ich, empfinde ich sie als reif und vernünftig. Manchmal ist sie vernünftiger als ich. Im Gegensatz zu anderen Thai Frauen, die ich kennengelernt habe, ist sie recht verantwortungsbewusst. Bei ihr stimmt eigentlich alles. So viel Glück haben die wenigsten, ich weiß das zu schätzen. Endlich war ich also mit diesem Juwel verheiratet und wir konnten uns mit gemeinsamer Kraft meinen Projekten widmen.
In Deutschland hatte ich in 2006 die „Hilfe zur Selbsthilfe als eine gemeinnützige GmbH“ gegründet. Hier nennen wir sie kurz Helfen-Germany. In diese Gesellschaft fließt mein Geld und der Nießbauch, den ich vom Verkauf und Übertragung der Immobilien habe, sowie ein Teil meines Erbes. Meine erste Frau und meine Kinder kommen nicht zu kurz. Ich wollte keine Stiftung, bei der nur über die Zinsen festgelegten Geldes verfügt werden kann und über alle Ausgaben ein Boardmeeting gehalten werden muss. So bin ich in der glücklichen Lage, Kopf einer Organisation zu sein und über genügend Geld frei verfügen zu können und nicht darum betteln zu müssen. Nein, Fundraising, wie die Amerikaner das nennen, liegt mir jetzt gar nicht mehr.
Ich arbeite immer mit Hilfsorganisation
en zusammen, also mit NGOs, Non Government Organisations. Zurzeit ist Genesis, eine christliche Organisation, Hauptträger eines Projektes. Wir bauten zusammen ein großes Haus, in dem unterprivilegierte Kinder gemeinsam leben können.
Mir ist es wichtig lokale Fachkräfte einzusetzen, um vor Ort zu fördern. Ich bezahle nur die Hälfte der Kosten für das Personal, die andere Hälfte muss die Organisation dazu zahlen. Dieses System hat sich gut bewährt. Ausländische Volontäre vermittle ich im Allgemeinen nicht. Es ist zu mühsam, junge Menschen, die noch gar nicht reif sind und nichts von der Thai Kultur wissen, anzulernen. Nur einmal machte ich eine Ausnahme, weil ein guter Freund mich darum bat. Nadja aus Karlsruhe wollte als Freiwillige arbeiten und ich brachte sie in die Schools of Hope. Es waren aber Ferien, sie konnte nicht ausreichend unterrichten. Erst dachte ich, was für eine aufwendige Aktion das war. Das hat ja niemand etwas gebracht. Aber Nadja war beeindruckt von der Armut und Hilfsbedürftigkeit der aus Burma vertriebenen Menschen . Sie schrieb nur eine einzige ausführliche Mail an ihre Verwandten und ihren Arbeitgeber. Es ist unglaublich, welche Spenden aufgrund dieses Briefes bei uns eintrafen. ........hier bitte entfallen lassen weil doppelt geschrieben.........! Mit diesem Geld aus Karlsruhe konnte schon so vielen Menschen geholfen werden.      
Ich bin Wirtschaftler und achte darauf, dass ich aus dem wenigen Geld so viel wie möglich mache. Erst wollte ich hier nur als Berater für wirtschaftliche Entwicklung tätig sein, aber alles hat sich anders entwickelt. Wichtig ist mir vor allem, die Menschen zur Selbsthilfe anzuleiten. In der Regel gebe ich den finanziellen Startschuss und kümmere mich eine gewisse Zeit um das Projekt bis die Arbeitsabläufe eingespielt sind. Dann sollten die Menschen es alleine schaffen. „
Gib einem Mann einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag. Lehre einen Mann zu fischen und du ernährst ihn für sein Leben.“ Das ist ein Lehrsatz von Konfuzius, den ich mir zu eigen gemacht habe.
Ich bringe nicht nur Geld, sondern ich kontrolliere, ob sinnvoll gewirtschaftet wurde, prüfe.die.Bücher.und.gebe.Tips.
Ich sehe mich als Mittelsmann und Berater. Kein Projekt wird länger als zwei Jahre unterstützt, dann muss es sich selber tragen. Das ist wichtig, damit kein Bettlergehabe, keine Almosensituation entsteht.
Besonders freut mich, dass wir inzwischen auch Unterstützung von der Deutschen Botschaft Bangkok bekommen. Es ehrt uns, dass uns die Botschaft seit 2012 dieses Vertrauen geschenkt hat. Die deutsche Botschaft unterstützt Kleinprojekte in Nordthailand. Ich schlage die Projekte vor, verwalte das Geld, kontrolliere und rechne ab.
Sehr gerne besuche ich eine Leprastation in Chiang Dao. Dieses Projekt trägt sich selbst, ich bringe also kein Geld sondern schenke den Bewohnern Aufmerksamkeit. Sie können sich nicht vorstellen, wie dankbar diese gezeichneten Menschen sind. Wenn man sie fragt, wie es ihnen geht, sagen sie strahlend “gut“. Da bleibt mir immer der Atem weg. Die kriechen mit ihren Beinstummeln auf dem Boden herum und sagen, es ginge ihnen gut.
Ich fühle mich zwar nicht als Samariter, aber bin der Überzeugung „es gibt keine bessere Übung für das Herz als sich herunterzubücken und Menschen von unten nach oben zu verhelfen“. Ich bin tief im christlichen Glauben verwurzelt. Meine Frau ist gläubige Buddhistin und auch ich habe schon einiges vom Buddhismus in mein Leben integriert. Gerne besuche ich buddhistische Tempel und verehre Buddha. Das ist kein Widerspruch zum Christentum, ich zolle Buddha Respekt, wie ich meinen Lehrern, meinen Eltern, meiner Frau Respekt zolle.
Einmal war ich drei Wochen lang als Novize im buddhistischen Kloster Wat U-Mong. „Drei Wochen, das ist nicht gerade lang“, meinen Sie. Doch, denn ich hatte einen Mentor der es verstand mir die Lebensweise und Lehren des Buddha nahe zu bringen. Der holländische Mönch, mein Lehrer unterrichtete mich einzeln und jeden Tag wiederholte er das Gleiche mehrmals bis ich es kapierte. Hängen blieben bei mir folgende buddhistische Grundsatzregeln: 1. Das Leben ist nicht permanent. 2. Wähle.den.Goldenen.Mittelweg..3.Reduziere.deine.Geschwindigkeit...4.Reduziere deine.Wünsche.
Wenn du dir zu viel wünschst und zu hohe Erwartungen hast, dann bist du enttäuschst.und.leidest...5.Leben.sei.leiden.und.6....urteile.nicht.zu.viel....7.Lasse zu, dass eine Sache sich entwickelt.
Drei Wochen Aufenthalt im Waldtempel Wat U-Mong Chiang Mai war eine wichtige, interessante Erfahrung für mich. Morgens um vier Uhr aufstehen, auf den Almosengang gehen und Essen erbetteln. Ich hätte mir ja das Essen kaufen können, aber das durfte ich nicht. Ein Mönch darf eigentlich kein Geld besitzen. Ich wurde kahl geschoren und eingekleidet in die safran-gelbe Robe des Klosters. Das Untergewand anzuziehen war anfangs das Schwierigste für mich. Nein, barfuß gehen war auch schwierig, noch schwieriger war es, im Schneidersitz zu sitzen. Das ging einfach nicht bei mir. Sie hatten Erbarmen und gaben mir einen Stuhl, aber gegen Ende der Zeit schaffte ich es, etwa 30 Minuten im Lotussitz zu meditieren.
Viele Regeln oder Gebote sind ja dieselben wie im Christentum. Du sollst nicht töten. Du sollst Vater und Mutter ehren. Du sollst nicht lügen, etc. Diese Ansprüche hat jede Religion. Aber Buddhismus ist noch etwas anderes. Das Hier und Jetzt spielt eine wichtige Rolle und das Verdienste-Sammeln für das nächste Leben.
Für mich ist es wichtig zu wissen, woher ich komme und wo ich hingehöre. Ich bin als Christ geboren, und das Christentum ist meine religiöse Heimat. Deshalb gehe ich so etwa einmal im Monat in den Gottesdienst der Thai-Deutschen Gemeinde Chiang Mai. Das ist eine evangelische Gemeinde, in der Deutsche und Thais aus unterschiedlichen Konfessionen, Glaubensrichtungen und Traditionen willkommen sind, hier gefällt es mir. Die Lieder, die von Jugendlichen mit der Gitarre begleitet werden, singe ich mit Begeisterung mit.
Schon immer war ich ein Freigeist und handelte gerne antizyklisch. Ich wurde in einer Zeit erwachsen und politisiert als die 68er die Veränderung herbeiführten und den Herrschen ihr antiquiertes Denken aufzeigten. Das färbt ab. Schon damals habe ich gemacht, was nicht jeder machte. Und das ist geblieben. Unsere drei Söhne versuchten wir antiautoritär zu erziehen. Sie besuchten alle die Gesamtschule in Garbsen, die war als Links angesehen. Englischer Pädagoge A. S. Neill und die Summerhill Schule waren unsere großen Vorbilder. Das war der Zeitgeist damals und nach meiner mehr als strengen Erziehung das andere Extrem. Ob es sinnvoll war? Zweifel sind erlaubt. Denn wenn Eltern der Respekt versagt wird, ist wohl etwas nicht richtig !Und tut es weh. Doch unsere drei Söhne sind jetzt gut verheiratet und es sind auch schon fünf Enkelkinder da.
Es ist mir nicht so wichtig, was andere über mich denken, über mein Äußeres, wie ich wohne oder lebe. Oder ist es mir doch wichtig? Die Frage der Interviewerin  macht mich jetzt nachdenklich. Irgendwie will ich schon einen guten Eindruck hinterlassen. Warum erzähle ich sonst so viel über mich? Ja, ich stelle mich gern dar, das sehe ich jetzt selbst. Es ist mir wichtig, wertgeschätzt zu werden, als ehrlich und vertrauenswürdig zu gelten.
Meine erste Frau welche mit mir 44 Jahre zusammenlebte und wir als Unternehmer und ich als Selbständiger arbeitete war eine sehr gute Lebenspartnerin, eine außergewöhnlich gute Frau. Ein Mann braucht gute Rückendeckung, damit das Leben gut geht. Ohne eine gute Ehefrau kann ein Mann nicht gut funktionieren. Sie und ich hatten wirklich ein gutes Leben gemeinsam.
Aber irgendwann ging es nicht mehr mit uns zusammen. Wir entwickelten ganz verschiedene Interessen. Ihren Lebensmittelpunkt nach Thailand zu verlagern wollte sie auf keinen Fall, obwohl sie Thailand gut kannte und früher schon hier viel Gutes erlebte. Scheidung nach mehr als vier Jahrzehnten ist kein guter Schritt, aber es war so.
Ich kam also alleine nach Thailand. Bei der Besichtigung verschiedener Projekte, zusammen mit einer Gruppe von Entwicklungshelfern besuchte ich auch eine Organic Farm in den Bergen, also einen großen Bio-Bauernhof.                                                                               Da sah ich eine junge Frau auf dem Feld arbeiten. Ich fotografierte, und diese Frau schaute mich an. Als sie winkte, winkte ich zurück. Oder war es umgekehrt? So genau weiß ich das gar nicht mehr. Und sie arbeitete nicht weiter, als wir gehen mussten, sondern schaute mir nach. In dem Moment hat es bei mir gefunkt. Sie war verhüllt, der Kopf war mit einem Tuch umwickelt. Ich konnte nicht viel von ihr sehen. Nur ihren Mund mit wunderschönen Zähnen. Und dieser Mund lächelte. Diese ganz kurze Begegnung hat mich so berührt, ich kann es kaum beschreiben. Ich konnte dieses Gefühl erst gar nicht einordnen. Wie sagt man? Es hat gefunkt. Das erlebt man nicht so häufig im Leben. Wann hatte ich es zum letzten Mal? Vielleicht als ich meine erste Frau kennen lernte? Ich musste unbedingt herausbekommen, wer diese Person ist, woher sie kommt und wie ich sie kennenlernen konnte. Und ich habe es herausgefunden. Sie hieß Amphorn und war Vorarbeiterin in dem Projekt, weil sie so gut rechnen konnte. Sie wollte unbedingt die thailändische Staatsbürgerschaft bekommen und hoffte, dass die Träger dieses Projekts ihr dabei helfen könnten. Schon bald darauf ging ich wieder zur Organic Farm und fragte dieses Mädchen  mit dem schönen Lächeln: „Wieviel verdienst du hier?“ „4.500 Baht im Monat“, antwortete sie schüchtern. „Wenn du bei mir als Housemaid arbeitest“, sagte ich, „zahle ich das Doppelte.“ Da konnte sie nicht widerstehen. Also stellte ich sie ein, zunächst zur Probe.
Zuerst wollte ich sie testen und nahm sie auf eine kleine Reise mit. Eine Frau muss ein gutes Herz haben, klug sein und im Bett muss es stimmen und im Notfall muss sie für mich da sein. Wenn es im Bett nicht stimmt, braucht man sich gar nicht weiter bemühen, wenn es nicht bei der Housemaid bleiben soll. Und dass sie ein gutes Herz hat habe ich bald gemerkt. Sie gab jedem Bettler etwas, sogar den Parkeinweisern steckte sie immer zwanzig Baht zu. Wir gingen auf der ersten Reise auch schon ins Dorf ihrer Eltern. Ich wusste, dass man so etwas nie tun sollte. Wenn ein Mädchen einen Farang mitbringt, sieht das gleich nach Verlobung aus, und der Mann wird in eine Ehe genötigt. Aber bei dieser Frau hatte ich das Gefühl, dass es richtig war, ihre Familie kennenzulernen.
Auch reiste ich mit ihr nach Bangkok dort wo sie herkam und lernte ihre Schwester und ihre beiden Töchter kennen. Die Mädchen machten einen intelligenten Eindruck und waren gut in der Schule. Die Schwester hatte schon die Thai Staatsbürgerschaft und die Kinder auch. Amphorn stellte mir auch die Familie vor, in der sie früher als Hausangestellte arbeitete. Die waren sehr mit ihr zufrieden und lobten ihre Kochkünste, ihre Sauberkeit und Zuverlässigkeit.
In dem Dorf, wo ihre Eltern wohnen, ist Amphorn jetzt sehr gut angesehen. Denn die dort bewundern Frauen, die mit Geld umgehen können, habe und die Geld bringen. Sie zahlt jetzt regelmäßig von mir, von Helfen-Germany eine kleine Rente von 500 Baht an zwanzig Schwerstbehinderte aus, die keinerlei Zuwendungen der Thai Regierung bekommen, weil staatenlos. Außerdem haben wir dort in dem Flüchtlingscamp in 80 Häusern Solar Paneele installiert, so dass die Leute nach 8 Jahren ohne Licht auch morgens und abends, wenn es noch oder schon dunkel ist, Licht haben.
Amphorn kann rechnen, einfach phänomenal rechnen. Gestern hat sie im Kopf auf die Stelle genau ausgerechnet, wie viel ich einem Freund an Fahrtkosten schulde. Sie wusste, wieviel km er gefahren ist und was das Benzin kostet, wie viel Liter pro 100 km er verbraucht. Und schwupps, sagte sie den Betrag. Ich bemühte mich mit dem Taschenrechner, mein Freund rechnete es nach, und wir kamen auf den gleichen Betrag.
Aber nicht nur rechnen kann Amphorn, sie ist auch sprachbegabt. Sie spricht vier Sprachen: Tai Yai die Sprache der Shan, Thai, etwas burmesisch und jetzt auch Englisch. Das habe ich ihr beigebracht. Sie ist – obwohl es ihr nicht erlaubt war als Staatenlose eine Schule zu besuchen – klug, denkt rational was mir wichtig ist, sie ist vor allem lebensklug . Sie hat auch ein sehr gutes Gedächtnis. Sie weiß genau, wem ich wieviel bezahlen muss, in welcher Straße ich abbiegen muss, etc. Als Thai Staatsbürger darf sie jetzt Autofahren, hat es sofort gelernt, und - das gebe ich ungern zu, aber manchmal habe ich das Gefühl, sie fährt besser als ich. Amphorn mag nicht gerne hören, dass sie nie zur Schule gehen durfte, aber ich erkenne, dass Schule eben nicht alles ist.
Sehr bemerkenswert und wichtig, in den sieben Jahren die ich sie kenne, hatten wir noch nie Streit. Sie passt auf mich auf und will, dass es mir gut geht. Sie ist bescheiden, so ist sie aufgewachsen und wirklich ein Juwel. Dieses Juwel ist jetzt meine Frau. Ich bin noch immer verliebt in sie. Und sie liebt mich. Da bin ich sicher.
Wir leben recht bescheiden in einem 65 qm großen modernen etwas exquisiten Apartment zur Miete. Aber die Aussicht vom kleinen Balkon auf den Berg, Wald und Tempel Doi Suthep ist berauschen, fantastisch. „Small is beautiful“, ist oft meine Devise. Mein Office ist nur neun Quadratmeter groß und ins Schlafzimmer integriert. Aber das reicht. Heute, mit Internet, braucht man nicht mehr so viele Ordner. Da ist alles im Computer gespeichert. Das Schlafzimmer ist durch eine Schiebe-Glaswand vom Wohn- Esszimmer getrennt. Dort schläft jetzt Amphorns jüngste Tochter. Bald wird die ältere nachkommen. Dann miete ich noch etwas dazu. In Amphorn´s Dorf haben wir kleine Baugrundstücke und ein „blaues“ Haus erworben.

Amphorn ist für mich die ungekrönte Königin des Waldes. Oft gehen wir in den Wald der am Berghang liegt. Es ist ja nicht weit, nur 300 meter oder so. Immer wenn wir gemeinsam in den Wald wandern gehen dann überrascht diese Amphorn mit fast grenzenlosem Wissen über die Natur: dieses kann man essen, das muss man vorher man kochen und jenes ist sehr schmackhaft. Wieder anderes in "Samoon Pai - herbal" Gesundheitskräuter und -blätter. Sie erzählt und erzählt ohne aufdringlich zu sein aus ihrem Leben, vom Überleben als Kleinkind im Walde. Sie öffnet die Früchte und warnt vor giftigen Pflanzen. Fast jede zweite, dritte Pflanze und Blatt ist zu irgendetwas zu gebrauchen, auch als Heilmittel, gekocht als Suppe, getrocknet oder als Pulver........! Pilze wollte sie pflücken, weil wir ja jetzt Regensaison haben. Von einer großen Fundstelle mit wunderbaren Pilzen kam sie zurück, ungenießbar. Woher weiß sie das ?

Der am Fuße des Berges ansteigende Wald ist ein Wildgehege mit freilaufenden Hirschen, Rehen, Jungwild, Ochsen, Buffaloes, wunderbar, Ganz nahe können wir an die Tiere heran und das Damwild ist durchaus nicht überaus scheu. 
Dann der Menschenaffe in dem Käfig, er schwingt sich wie Tarzan durch sein enges Gehäuse aber ist gut drauf. Steht aufrecht und ist komplett behaart. "Körper wie Jorgo und Gesicht wie Godi"  ist Amphorns Kommentar. Ich muss lachen. 

Die übergroßen Buffaloes, da bekam ich dann doch Respekt und wollte nicht weitergehen. Amphorn meint, wenn die angreifen, dann schnell auf den Baum. Aber wie soll ich das machen ? Riesengroße Hörner haben diese sich aufgesetzt. Und starren mich an. Ich traue mich nicht dieser Tierherde den Rücken zuzuwenden. Gehe rückwärts zurück, sicher ist sicher.
Dann die vielen vielen Kleinstgetiere, die Amphorn alle entdecken kann und ich nicht. "Und sieh mal, Michael, das ist der Kot der Krabbelwürmer." Ich kann nichts sehen ! 
Zum Abschluß dann noch eine giftgrün gezeichnet Baby-Schlange, die sich über unseren Weg schlängelt, ca. 1,5 meter lang. Amphorn sieht sie, ich nicht. Nein sie habe keine Angst, die seien doch niedlich, hmm. Schlangen brächten Glück. Möglichst diese auf der Straße nicht überfahren, das kann schlechtes Glück ( bad luck ) bringen. Mein Spruch in dem Zusammenhang der ich Bange habe vor Schlangen: "Ladies first, life is dangerous. Lasst den Frauen den Vortritt, wer weiß was passiert." 

Ja, es ist wunderbar einen so riesengroßen Wald am Fuß des heiligen Berges Doi Suthep ( ca. 1.800 meter ) mit dem wichtigsten Tempel Nord-Thailands vor sich zu haben und jeden Tag können wir jetzt in die "Natur pur" sehen vom kleinen Balkon aus. Denn wir sind umgezogen von rechts nach links, von einem Apartement ins andere, weil weniger Lärm von der Straße, weil weniger Sonne aus dem Süden und weil der grandiose Blick auf das Bergmassiv.. Meine Frau versetzt mich dort immer in Erstaunen und auch Bewunderung. Sie kann im Wald überleben. 
Und ich bin glücklich, wie es ist. Ich war schon immer ein Familienmensch, nur konnte ich das früher wegen der vielen Arbeit nicht ausleben. Und ich konnte mit meinen Kindern nicht spielen. Aus meiner ersten Ehe habe ich drei Söhne. Nun - Töchter habe ich mir schon immer gewünscht. Jetzt habe ich gleich zwei. Ich bin so ein Glückspilz! Manches fliegt mir einfach zu.
Und ich bin ein Genießer. Ein Schlückchen Rotwein, ein Baguette und etwas Käse - das liebe ich. Gerne hätte ich, dass meine Frau diesen Genuss mit mir teilt. Manchmal trank sie einen Schluck mit, aber ich weiß, ich darf sie nicht zu mehr drängen. Ich kenne etliche Thai Frauen die von ihrem deutschen Ehemann immer zum Mittrinken aufgefordert wurden. Heute sind sie Alkoholikerinnen. Anständige Thai Frauen trinken gewöhnlich gar keinen Alkohol. Das geziemt sich nicht.
Sie hat schon so viel mitgemacht, meine Amphorn. Alles weiß ich noch gar nicht. Sie klagt nie. Wie muss es sein sich ständig vor burmesichen brutalem Militär zu verstecken, als Flüchtling aufzuwachsen, mit einer falschen Identität, nur um eine Berechtigungskarte für eine thailändische Provinz zu bekommen? Für jeden Weg oder Reise eine Genehmigung anzufordern. Und auch immer mit der  Angst zu leben, abgeschoben zu werden wenn es der Regierung beliebt. Mit Eltern, die Hunger, Krieg, Vergewaltigung und Vertreibung erlebten?
Sie heiratete in Bangkok einen Thai Mann und hoffte, dadurch die Staatsbürgerschaft erlangen zu können. Aber dieser Mann war eine Niete, hat sich um nichts gekümmert. Selbst als ihre beiden Töchter geboren wurden musste Amphorn diese als ihr Kind verleugnen, damit sie nicht dasselbe Schicksal ereilte wie sie, nämlich Staatenlosigkeit. Der Mann kam nicht in die Klinik, um zu unterschreiben. So musste sie eine andere Mutter bezahlen, die Amphorn´s Neugeborenes als ihr Kind ausgab, damit diese Töchter als Thai aufwachsen konnten. Wir können uns gar nicht vorstellen, was Menschen in solchen Lagen alles tun müssen.
Wenn man in Thailand zufrieden leben will, sollte man sich in die Thai Mentalität einfühlen können. Vielen misslingt das. Ich versuche es mit Witz und Originalität. Ein Beispiel: mir ist es nun mal wichtig, dass der Klodeckel zu ist nach Gebrauch, aber das ist in Thailand nie so. Das wollte meinen Mädchen nicht in den Kopf. Dann erklärte ich ihnen: „Ich weiß, da ist ein böser Geist drin, ich habe Angst, dass er rauskommen könnte !“ Das kapierten sie sofort, und seitdem ist der Klodeckel nie mehr auf.
Was ich Männern rate, die hier ihren Lebensabend mit einer Thai Partnerin verbringen möchten? Hört euch erst einmal an, welche Erfahrungen andere gemacht haben und macht nicht die gleichen Fehler. Lernt aus euren eigenen Fehlern, aber hängt nicht an den schlechten Erinnerungen, die ihr gemacht habt. Bindet euch nicht zu schnell. Aber wenn ihr eine Thaipartnerin gefunden habt, die in Ordnung ist, seht über Kleinigkeiten hinweg. Steht zu ihr. Dann wird sie auch zu euch stehen. Und denkt immer: „Past is past“ also Vergangenheit ist Vergangenheit. Deine oder ihre schlechten Erfahrungen sind Schnee von gestern. Lasst also die Vergangenheit hinter euch und lebt jetzt.
Ich lebe hier und jetzt, in Thailand mit Amphorn und bin augenblicklich sehr glücklich dabei. Nach Deutschland zieht es mich gar nicht mehr. Wenn ich in Deutschland bin, entwickele ich alle möglichen Allergien, mein Körper fühlt sich nicht mehr wohl. Hier in Thailand geht es mir gut, ich kann ich etwas bewirken, werde gebraucht und geliebt. Die Aufgabe mit meinem Know-how Menschen zu helfen macht mir Spaß und hält mich jung. Siebzig Jahre jung und gefühlte fünfundfünfzig antworte ich regelmäßig auf die Frage nach dem Alter.
Wenn ich einmal nicht mehr kann, habe ich Amphorn an meiner Seite. Sie ist jung und steht zu mir. Sie hat ein gutes Herz und wird mich ( Wort „notfalls“ bitte entfällt ) auch.pflegen. Auch daran denke ich, weil ich mein Leben lang versucht habe verher zusehen und doch viel geplant habe.
Ausschnitt aus einem Interview der Schriftstellerin Ursula Spraul-Doring,                  Stefan Lohse Reiseführer         - 2015


Presentation of Social Work